Haben Sie ihren Garten im Griff?

Biogärtner Herbert Vinken 

über das Wesen des Gärtnerns

Was heißt eigentlich „Etwas im Griff haben“? 

Zupacken, festhalten, nicht entgleiten lassen. Annehmen, kundig werden, beherrschen. 

 

Die Kontrolle und die Oberhand behalten...

Hätten wir nicht gelernt, unsere Interessen gegenüber der Natur mit Wille und Tatkraft zu vertreten, wir würden verhungern, erfrieren, ertrinken. 

 

Was heißt eigentlich „gegenüber der Natur“? 

Hier ich, dort die Natur? „Gegenüber“ hört sich an, wie  eine eher kurze Distanz? Steckt aber auch „gegen“ drin: Gegner, Kontrahent, Konkurrent?

 

Das sagt man nicht mehr. Es heißt jetzt Mitbewerber. Die Natur ist also mein Mitbewerber – um was?

Vielleicht um einen Fleck, wo man so sein darf, 

wie man möchte, wie es einem gut tut.

Wer weiß, was der Natur gut tut? Wer weiß, was ihm selbst gut tut?

Es heißt, die Seele eines eher unruhigenen, oft emotionalen Menschen atme auf in der Ordnung und Verlässlichkeit eines klar strukturierten Gartens. Es heißt auch, die Seele eines stets gefassten, eher rationalen Menschen blühe auf in der „wilden Natur“, sie atme ihre Weite und genieße die natürliche (Un)ordnung. 

 

Keiner kann von sich behaupten, er oder sie wisse, was der Natur guttue. Am ehesten schließen wir von uns auf andere... Naturen. Natur selbst unterscheidet gar nicht in gut und schlecht. Sie probiert – und was funktioniert, setzt sich durch. Artenvielfalt scheint gut funktioniert zu haben. Sie hat sich in langer Evolution als offenbar erfolgreiche Entwicklung durchgesetzt. 

 

Landschaft und Gärten werden nachweislich immer artenärmer. Wieviel Natur lassen wir zu, wo wir das Sagen haben? Wieviel Kontrolle mit Schere, Hacke, Spritze üben wir aus. Und warum? 

 

Das ist kein Plädoyer für den wilden Garten, in dem alles wachsen darf, wie es will. Aber wie wär‘s mit einer wilden Ecke? Und wie wär‘s mit Gelassenheit gegenüber demjenigen, der sich entscheidet, bestimmte Flächen nicht „im Griff“ zu haben. Wir haben unseren Garten nicht im Griff. Aber wir haben ihn im Blick. Und wir sehen selten gewordene Vielfalt bei Vögeln, Faltern, Bienen

und Blüten. 

 

Und nicht selten hören wir Besucher sagen: 

„Ach, ist das schön hier! 

Aber zuhause trau'  ich mich das nicht“